Logopädie-Vortrag

 

Stottern muss nicht chronisch sein

 

ALLMENDINGEN. (hd) - In Allmendingen hat die Sprachförderung ab dem Kindergarten schon begonnen, deshalb nutzten Hartwig und Brigitte Wilking von der vhs die Aktualität, im Rahmen einer Vortragsreihe das Thema "Sprachentwicklung - Sprachstörung - Sprachförderung" aufzugreifen. Am Dienstag abend referierte Logopäde Karl-Heinz Stier aus Gerhausen vor über 20 Interessierten, zumeist Frauen, über diesen Themenkomplex. Rektor Reinhold Krämer begrüßte den kompetenten Redner, der seit 1988 Logopäde ist und seit 1991 in Blaubeuren eine eigene Praxis hat. Stier gab genügend Infos für die anwesenden Mütter, Erzieherinnen und Lehrerinnen. Um Sprachstörungen erkennen zu können, muss man zuerst den Normalfall kennen. Stier erklärte den "Sprachbaum", dessen Wurzeln Gehör, Motorik und Sehen heißen und der mit der "Kommunikations-Gießkanne" gegossen wird. Seine Hauptäste sind der Wortschatz, die Grammatik und die Artikulation. Der Logopäde erklärte die Marksteine der Sprachentwicklung vom Lallen des Babys bis zur Verwendung des Partizip Perfekt im fünften Lebensjahr. Normal ist auch ein aktiver Wortschatz im ersten Lebensjahr von 20 - 50 Wörtern, im sechsten Jahr von 2.600 Wörtern. 80% der Bevölkerung, so Stier, kommen mit 1.000 Wörtern aus; nur 2% beherrschen 4.000 Wörter.

Das Stottern muss nicht chronisch sein: Das "Entwicklungsstottern" kommt bei 80% derKinder zwischen 2 und 4 Jahren vor. Nur vier Prozent davon werden zu chronischen Stotterern - erkennbar, wenn das Stottern über sechs Monate anhält und von motorisch- und verhaltensauffälligen Symptomen begleitet wird. Die Aufzählung der vielseitigen Sprachstörungen sollte die Anwesenden nicht irritieren: Ein dreijähriges Kind muss nicht gleich unbedingt zum Logopäden. Allerdings sollte der Kinderarzt auftretende Sprachstörungen erkennen und an den Fachmann weitergeben. Die Störungen können vielseitig

sein: Aussprachestörung (Dyslalie) organischer, motorischer oder sensorischer Art. Sie kann therapeutisch gezielt mit Mundmotorik, Lautanbahnung, Lautfestigung und durch Transfer in die Spontansprache behandelt werden.

Auch eine Sprachentwicklungsverzögerung kann es bei Kindern geben. Ursachen können nach Stier

Umwelteinflüsse wie mangelnde Anregung, mangelnde Förderung, aber auch Überforderung (bei Lehrerkindern), eine familiäre Sprachschwäche, Sehbehinderung oder Hörstörung sein. Hier kann der Weg vom Logopäden zur Sprachheilschule führen. Kinder mit dieser Störung sind unfähig, schnellen Sprachmustern zu folgen, können nichts behalten und verstehen viele Wörter im Satzzusammenhang nicht. Die Eltern können hier mithelfen: Selbst ein gutes Sprachbild abgeben, eigene Handlungen begleitend beschreiben, korrekte Namen verwenden (also nicht "Muh", sondern "Kuh" sagen). Eine weitere Störung ist der Disgrammatismus - die Störung in der Wortstellung und Deklination. Normal wäre, das ein Kind mit 30 - 36 Monaten die nervenden "Warum"-Fragen stellt, komplexe Sätze sprechen kann und in der Ich-Form redet. In der Familie kann der Störung mit vorbildhaftem Sprechen begegnet werden.

Die Zuhörer interessierte die Schiene Erzieher (Lehrer) - Kinderarzt - Logopäde. Stier: "Da gibt es auch Kontroversen." Beispiel: Ein Arzt lasse sich nicht vom Lehrer ein Kind als vermutlich sprachgestört "aufdrücken" und sage lapidar: "Das gibt sich noch." Ingrid Stüber, Kooperationslehrerin Schule-Kindergarten, konnte von dieser Art Verharmlosung berichten. Eine Mutter glaubte, dass viele sich nicht zum Logopäden trauen, denn das habe immer noch "a Gschmäckle". Ganz schwierig, gab Stier zu, ist es, einen erwachsenen Stotterer von seiner Störung zu befreien.